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Seit bald zwei Monaten findet im Iran eine feministische Revolution statt. Aufgrund des Mordes an Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 durch die sogenannte Sittenpolizei protestierten zunächst Frauen gegen das islamistische Regime für ihr Recht auf Selbstbestimmung. Die Bewegung, die zuerst in den kurdischen Gebieten im Norden des Landes begann, hat inzwischen auch Männer, Studierende und Ölarbeiter*innen aktiviert, auf die Straßen zu gehen, geschlechtertrennende Wände einzureißen oder zu streiken. Gerade der Streik der Ölarbeiter*innen ist dabei eine der entscheidenden Säulen für den Erfolg der Revolution: Die Förderung von Öl und Gas ist die Haupteinnahmequelle des Iran. Bereits 1979 war der der Streik der Ölindustrie einer der Faktoren für den Erfolg der Revolution, die die Schah-Regierung gestürzt hat.
Die Proteste, die derzeit stattfinden, werden mit brutalster Gewalt niedergeschlagen: Hunderte Menschen haben die Sicherheitsbehörden bereits verhaftet, immer wieder schießen Basijis (بسيج مستضعفين) in die protestierende Menge oder sogar in Wohnungen oder entführen relevante Personen auf offener Straße. Sexualisierte Gewalt wird methodisch als Strafe eingesetzt und gerade die Personen, von denen diese Revolution ausgeht, leiden am härtesten unter der Unterdrückung: Frauen, Kurd*innen, LGBTQIA-Aktivist*innen und Studierende.
International rufen die mutigen Proteste große Solidarität in der Zivilgesellschaft hervor — auf politischer Ebene hingegen ist bisher nur wenig passiert. Erst kürzlich sollte noch ein Krankenpfleger aus Passau in den Iran abgeschoben werden — nur aufgrund des Drucks von Zivilgesellschaft wurde diese Abschiebung ausgesetzt. Der Iran kann nicht als sicheres Herkunftsland eingestuft werden. Immer wieder werden Länder als sicher eingestuft, in denen Menschen aufgrund ihres politischen Engagements, ihrer sexuellen Orientierung oder Identität, aufgrund ihrer Meinung oder aufgrund ihres Glaubens mit gewaltsamer Unterdrückung rechnen müssen.
Eine feministische Außenpolitik und eine solidarische Regierung darf nicht abwarten, wie die Proteste ausgehen, bevor die Zusammenarbeit mit der iranischen Regierung unterbrochen wird. Ein Abschiebestopp in den Iran ist die mindeste Maßnahme, die wir durchsetzen können. Aber Solidarität mit Kurd*innen bedeutet auch, z.B. der Türkei keine Bomben oder Rüstungsgüter mehr zu liefern, mit denen sie im Irak und Syrien ganze Dörfer auslöschen. Sachsen könnte hier vorangehen und ein Landesaufnahmeprogramm einsetzen, um den Menschen einen sicheren Raum zu geben, deren Leben bedroht wird. Das Recht als selbstbestimmte Frau zu existieren, das Recht auf Leben und das Recht auf Freiheit sind universal gültig — nichts anderes fordern die Protestierenden, die sich „Jin, Jiyan, Azadî“ (ژن، ژیان، ئازادی) zum Leitspruch gemacht haben. Wenn wir diese Forderungen ernst nehmen wollen, müssen wir auch hier in Deutschland handeln. 
 
Text von: Juliane Prüfert