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Den Oktober über war ich in Serbien an der kroatischen Grenze und habe dort in einem Flüchtlingscamp gearbeitet. Die meiste Zeit sind wir in einem Single-Guys-Camp, machen Tee und Kaffee für die Menschen und geben ihnen einen Ort, wo sie einfach sein dürfen. Wir haben eine Tischtennisplatte, viele Spiele und Malsachen. Ich freue mich dort über jedes lachende Gesicht. Leider steht die Atmosphäre im Zelt bei uns in hartem Kontrast zu der Lebensrealität der Menschen. Die meisten sind sehr jung – so im Schnitt 20. Der jüngste, den ich getroffen habe, war 11! Diese Menschen haben Träume für ihre Zukunft, sie wollen Dinge lernen, ein eigenes Leben aufbauen. Stattdessen versuchen sie über Jahre hinweg über Grenzen zu kommen. Wenn sie in Serbien ankommen, sind sie normalerweise schon 2-5 Jahre unterwegs. Was wird aus dir, wenn du in der Zeit, wo du eigentlich lernen solltest, anfangen solltest, deine Lebensträume zu verwirklichen, lernst, dass dich keiner haben möchte. Dass du immer nur versteckt über irgendwelche Grenzen kommst, um dann im nächsten Camp zu sitzen?

Der Journalist Paul Middelhof war zur gleichen Zeit auf der Balkanroute unterwegs und berichtet von den katastrophalen Bedingungen, von Granzanlagen und Push-Backs, also das illegale Zurückdrängen durch nationale Grenzbehörden und dem Einsatz von gezielter Gewalt der Grenzbehörden. “Menschenrechtsorganisationen sprechen sogar von Folter.”*

“Die Staaten entlang der Route […] empfinden Migration als Krise und als Gefahr, die es abzuwehren gilt und deswegen ist der Versuch, die Menschen möglichst schnell loszuwerden in Richtung Norden oder gar nicht erst ins Land zu lassen. Die EU versucht wiederum ihren eigenen, ja hohen moralischen Standards gerecht zu werden und kündigt an, Schleppernetzwerke zu bekämpfen und die Überwachung der Grenzen zu verstärken – noch weiter zu verstärken.”* Bei einem Treffen der deutschen Innenministerin Nancy Faeser mit Regierungsmitglieder*innen der westlichen Balkanstaaten wurden, laut Aussage von Paul Middelhof, zwar hohe moralische Standards formuliert, das eigentliche Ziel sei aber, die Zahl der ankommenden Menschen zu reduzieren. Es geht also mal wieder nicht um die humanitäre Krise auf dem Balkan, also darum, wie man den Menschen dort helfen kann, sondern darum, wie man am besten verhindern kann, dass die Menschen irgendwo ankommen, wo sie auch leben können. Es geht immer wieder darum Frontex zu stärken – die Organisation, die für viele Push-Backs verantwortlich ist.

Diese menschenverachtende Abschottung muss endlich aufhören! Lasst uns dem Leid auf der Balkanroute entgegenwirken! Lasst uns uns dafür einsetzen, dass Menschen nach Deutschland kommen können, ohne dabei ihr Leben zu riskieren!
 
 Mit einem Landesaufnahmeprogramm in Sachsen können wir zumindest ein paar Menschen diese gefährliche Route ersparen und so Hilfe statt Abschottung üben.

 

 

Text von: Birte Geerds

 

*Nachrichten-Podcast “Was jetzt?”, 23.11.2022, 4:20min

 *Nachrichten-Podcast “Was jetzt?”, 23.11.2022, 4:36min